Hat "Form folgt Funktion" in 130 Jahren seine Bedeutung verändert?

Als Creative Director und Designer fasziniert mich die Bedeutung und die evolutionäre Reise eines Grundsatzes, der die Gestaltung seit mehr als einem Jahrhundert prägt: „Form folgt Funktion“. Der Architekt Louis Sullivan hat diesen Begriff im späten 19. Jahrhundert geprägt und damit die Art und Weise beeinflusst, wie Designer und Architekten lange Zeit an Gestaltung herangetreten sind. Doch über die letzten 130 Jahre hat sich die Welt dramatisch verändert, und mit ihr auch die Bedeutung dieses Prinzips. Heute sehe ich „Form folgt Funktion“ eher als eine Symbiose von Form und Funktion und als Einladung, weit über die reine Funktion hinauszugehen.

Mehr als nur Funktionalität

„Form folgt Funktion“ war ursprünglich eine klare Anweisung: Design sollte funktional sein, frei von Überflüssigem, auf das Wesentliche reduziert. Diese Philosophie verankerte sich fest in der modernen Architektur und im Produktdesign. Doch heute wird das Verständnis von Funktion breiter gefasst. Funktionalität bedeutet nicht mehr nur, dass ein Objekt effizient genutzt werden kann, sondern dass es auch die Sinne anspricht, emotional bewegt und eine tiefere Erfahrung für den Nutzer schafft. Ein Raum, der nur effizient, aber nicht einladend ist, verfehlt seinen Zweck in einer Welt, die zunehmend auf Erlebnis setzt. Funktion muss also in Einklang mit Emotionen, Sinneserfahrungen und kulturellen Bedeutungen gedacht werden.

Form und Funktion als Symbiose

In meiner Arbeit sehe ich Form und Funktion als untrennbare Einheit, die sich gegenseitig verstärken. Die Vorstellung, dass Form und Funktion in einer strikten Reihenfolge nacheinander existieren, ist längst überholt. Eine durchdachte Funktion kann zu einer inspirierenden Form führen, und umgekehrt kann eine schöne, ausdrucksstarke Form die Funktionalität eines Designs unterstreichen und verfeinern. Ein Smartphone etwa ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern ein ästhetischer Begleiter, der mit seiner Form den Alltag verschönert und gleichzeitig funktional bleibt. Diese Symbiose bringt erst die Wirkung, die ich in meinen Designs anstrebe.

Design als Erlebnis

Ein rein funktionales Objekt mag nützlich sein, aber was bleibt in Erinnerung? Design sollte ein Erlebnis bieten, das den Nutzer emotional einbindet. Funktionalität bildet das Rückgrat, aber das Erlebnis – das, was wir wirklich fühlen – entsteht durch die Verschmelzung von Form, Funktion und dem Kontext, in dem wir ein Design wahrnehmen. Ein Stuhl kann uns bequem sitzen lassen, aber ein gut gestalteter Stuhl erzählt auch eine Geschichte, schafft Atmosphäre und spricht uns auf einer emotionalen Ebene an. Diese Qualität zu gestalten, ist für mich das Herzstück guten Designs.

Den Status quo herausfordern

Die Formel „Form folgt Funktion“ ist keine unumstößliche Wahrheit, sondern eher ein Sprungbrett. Für mich bedeutet innovatives Design, auch das zu hinterfragen, was lange als gegeben galt. Heute ermutige ich Designer in meinem Team dazu, sich die Freiheit zu nehmen, die Form auch einmal an die erste Stelle zu setzen, wenn sie eine bestimmte Aussagekraft erreichen wollen – oder gar die Form als funktionalen Aspekt zu sehen, wenn es zur Nutzererfahrung beiträgt. Wir haben die Möglichkeit, neu zu denken und uns zu fragen, wie Funktion und Form miteinander interagieren, anstatt starr zu folgen.

Ganzheitliches Design: Mehr als nur Ästhetik und Funktion

Meine Arbeit basiert auf einem ganzheitlichen Designansatz. Dieser Ansatz verbindet ästhetische und funktionale Aspekte mit ökologischen, sozialen und kulturellen Überlegungen. Heute muss Design nicht nur funktionieren und ästhetisch wirken, sondern auch Verantwortung übernehmen. Die Form sollte Ressourcen respektieren und die Funktion sollte nachhaltig sein. Wenn ein Produkt die Umwelt belastet oder nicht fair hergestellt wurde, verfehlt es seine wahre Funktion, da es den Bedürfnissen einer globalen Gesellschaft nicht gerecht wird.

„Form folgt Funktion“ hat sich in 130 Jahren tatsächlich gewandelt. Für mich bleibt es relevant, aber in einer breiteren, reicheren Form. Es ist kein starres Prinzip mehr, sondern eine Denkweise, die es uns erlaubt, mit den Wechselwirkungen von Form und Funktion zu spielen und sie in einem größeren Kontext zu sehen. Ein Ansatz, der dazu einlädt, die komplexe Beziehung zwischen dem, was wir gestalten, und der Wirkung, die wir erzielen wollen, immer wieder neu auszuloten.

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Christian Knopf, Creative Director

"Ich verbinde Marken mit Emotionen und setze neue Technologien gezielt ein, um einzigartige und durchdachte Projekte zu schaffen."

Als Creative Director und Head of Brand & Communication bei sooii entwickle ich inspirierende Inhalte und maßgeschneiderte Kommunikationslösungen für Premium-Marken aus den Bereichen Architektur, Interior und Design. Mit einem Fokus auf designorientierte und strategische Markenentwicklung vereine ich visuelle Kommunikation und Technologie, um Produkte und Erlebnisse zu schaffen, die den Dialog zwischen Marken und ihrem Publikum auf faszinierende Weise bereichern.

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